review: schnittig! – final cut, premiere, avid & co.

Ich warte heute auf Material, das leider nicht kommt, und der Rechner rendert nebenbei, also habe ich kurzerhand beschlossen, ein mal wieder was Redaktionelles zu verfassen. Und da ich Dienstag die Adobe CS5.5 Production Premium endlich bekommen habe, dachte ich mir, es wird endgültig mal Zeit für ein Kommentar und eine Review der NLE-Software, mit der ich arbeite(te).

Aber wo fange ich an? Am Besten ganz vorne. Immerhin schaue ich auf gut 10 Jahre professionelle Schnittarbeit zurück, und in dieser Zeit ist mir einiges begegnet.

Das erste Computer-gestützte Schnittsystem an dem ich je saß, war ein Casablanca von MacroSystem. Davor gab es nur 2-3 VHS- oder S-VHS-Rekorder. Casablanca war ein feines Gerät, dass unsere Filme – zwischen dem 17. und 19. Lebensjahr entstanden – sehr aufgewertet hat. Allerdings muss ich hier nicht weiter darauf eingehen, da der Funktionsumfang eher auf Hobbyanwender mit zu großem Geldbeutel ausgelegt ist.

Es folgte der erste PowerMac, auf dem ich mit Adobe Premiere 5 schnitt. Oder besser: versuchte, zu schneiden. Premiere 5 war damals so instabil, dass ich öfter „Apfel+S“ drückte als irgend eine andere Taste. Den ersten Kurzfilm den ich damit schneiden wollte war unser Bewerbungsfilm „Die Wette“. Der Funktionsumfang war allerdings schon relativ groß. Auch wenn man ihn wegen der häufigen Abstürzen nicht nutzen konnte.

Dann folgte Avid XPressDV 3.5 auf dem Mac, und endlich war ich in professionellen Gefilden unterwegs! Avid ist quasi der Standard in der Branche, und XPressDV in Version 3.5 war mit den Profisystemen von der Bedienung her identisch. Allerdings ist diese Version begrenzt auf die Bearbeitung von DV-Material. Der Workflow ist jedoch super easy, vor allem mit den schönen bunten Shortcuts-Tastaturen. Alles geht schnell von der Hand. Nur eben die Begrenzung auf DV-Material war doof. Aber was gab es damals schon finanziell lohnenswertes? Nix! Das Medienmanagement war relativ aufwändig und vor allem wurden VIELE Dateiformate für Bilder, Töne usw. nicht erkannt oder mussten – wie mp3 – ewig gerendert werden. Und das immer wieder. Dafür war das System doch sehr stabil. Der Rechner, auf dem XpressDV lief war übrigens der selbe, auf dem auch Premiere 5 lief: Ein PowerMac G4 800MHz Dual mit 768MB RAM. Man, war der teuer!

Nächster Schritt war der Avid Media Composer. Die erste Firma, in der ich in der Postproduktion arbeitete, bot Media Composer auf PowerMac 9600-Basis. Also für das Jahr 2002 relativ alt. Danach wurde aufgerüstet auf HP-Workstations mit Windows XP Professional und der neuen Media Composer-Version. Abegesehen vo Betriebssystem und der Performance hat sich nicht viel geändert. Wie gesagt: Die Bedienung ist wie bei XPressDV. Ich mochte diese Systeme.

Während des Studiums haben wir hauptsächlich mit Avid XPress Pro (Version 4) gearbeitet, der Nachfolgegeneration von XPressDV. Und da ging min Avid-Frust los. Zuerst musste ich leider feststellen, dass meine 2500€-Software XPressDV nur auf die Pro-Version geupdatet werden konnte, wenn ich knappe 1000€ zahle. Hm… WTF? Zum Glück hatte die Uni zwischen 2003 und 2006 ganze 3 Schnittplätze. Und diese funktionierten ja auch ab und zu zuverlässig. Das Avid Mojo als I/O-Schnittstelle war allerdings ziemlich instabil und am liebsten hätte ich das Ding jedes Mal abgebaut. Die Verkabelung war eine Katastrophe, Signalwege waren immer irgendwo irgendwann instabil, Bild oder Ton brachen plötzlich ab, usw. Und warum war denn bitte dieses Ding nicht HD-fähig? Zusammengefasst: Zu teure Updates, instabil, kein HD, aber die gewohnte Profi-Atmo.

Dann gab es wieder teure Updates auf XPress Pro HD (Version 5), die ich allerdings erstrecht nicht nutzen konnte. Zusammengefasst: 5 Jahre, nachdem ich 2500€ für Software ausgegeben hatte, war sie völlig unbrauchbar. Das aktuelle Betriebssystem wurde nicht unterstützt, sowohl Windows als auch MacOS, es folgten keine Bugfixes der 3.5er Version mehr, ein Update auf Version 4 kostete rund 50% des Neupreises, das auf Version 5 war gar nicht möglich. Hätte auch keinen Sinn gemacht, denn Version 5 wurde im Sommer 2008 schon wieder eingestampft und der Media Composer kam als „Software only“ auf den Markt. Teuer auch das Update von Version 5. Spätestens hier war Avid für mich nicht mehr zeitgemäß.

Es fehlte an der Unterstützung der vielen neuen Formate (DVCProHD, AVCHD, HDV, MPEG IMX/MXF…), die nur nach und nach unterstützt wurden, die Software war einfach zu teuer, der Workflow zu kompliziert (Export nach AE, Re-Import…) und die Codecs waren irgendwie auch nicht mehr meins. Es wurde Zeit für den Wechsel. Aber wo hin? Dass ich mir nach der ursprünglichen Adobe Premiere-Pleite dieses System nicht direkt ansehe war klar. Media100 wäre noch eine Alternative.

Aber warum in die Ferne schweifen? Apple hatte inzwischen mit Final Cut Studio 2 ein Paket geschaffen, das alles konnte: Schnitt inkl. DVCProHD, Sound-Mixing, DVD-Authoring, Compositings. That´s the way we go! Und das, obwohl der Schnitt der Projekte immer weiter in den Hintergrund rückte. Ich konzentrierte mich immer mehr auf die Produktionsarbeit. Ich ließ meine Filme meist extern schneiden, und stellte so fest, dass Final Cut Studio immer weitere Verbreitung erfuhr. Meine Tätigkeit entwickelte sich zurück zum Regisseur und Schnittmeister. Ich saß meist neben dem Cutter und gab Anweisungen.

Apple lieferte dann Final Cut Studio 3 aus und die Erfolgsgeschichte ging – meiner Meinung nach – nahtlos weiter. Ich war noch immer der Denker am Schnittplatz und habe meist extern schneiden lassen.

Es war das Jahr 2010, als ich zum ersten Mal wieder bei einem Kollegen das neue Adobe Premiere Pro sah. Und ich dachte mir: „Hey, das sieht ja aus wie Final Cut! Funktioniert nur besser!“ Warum? Premiere Pro war noch offener was Codecs und Formate betrifft. Es verarbeitet eine Menge Futter nativ und schnell und frisst so ziemlich alles, was man ihm rein wirft! Und das Design der Oberfläche sah sehr ähnlich aus. Und nicht nur das: Man konnte die Keyboard-Shortcuts von Apple´s Final Cut Pro laden und quasi mit den selben Tasten arbeiten. Und jetzt der Oberhammer: Man kann sogar die Helligkeit der Oberfläche einstellen und so einen perfekten Final Cut-Klon schaffen. Da hat wohl jemand abgeguckt! Fast alle Fenster sehen ähnlich aus, sind ähnlich aufgebaut und erfüllen den selben Zweck. Der Umstieg wäre sehr leicht. Aber ist das Aussehen so wichtig?

Im Sommer letzten Jahres kam Apple Final Cut Pro X auf den Markt. Es war unfassbar günstig und komplett neu als 64-bit-Anwendung geschrieben. Preis und das Aussehen ließen es zu einem iMovie Pro werden, vielen Profis fehlen noch heute essentielle Funktionen wie Multicam, ein anständiger Re-Import usw. Aber ich beschloss, wieder mehr selbst zu schneiden, und so nahm ich die Euros in die Hand und kaufte die Software zusammen mit Motion5 und dem neuen Compressor. Motion5 ist irgendwie richtig geil! Aber Final Cut hat wirklich einige Tücken. Nichts desto trotz habe ich inzwischen 2 kleine Projekte und ein großes Mega-Projekt damit geschnitten. ich habe festgestellt, dass dieses Tool, wenn es denn mal ausgewachsen ist, sehr mächtig werden wird. Hoffentlich.

Trotzdem habe ich dann die von Adobe angebotene Option des Promo-Updates für Umsteiger genutzt und mir am Dienstag die Creative Suite 5.5 Production Premium gekauft. Ja, ich bin einer dieser armen – aber ehrlichen – Irren, die ihre Software ganz legal kaufen! Unfassbar, oder? Jedenfalls war das Angebot unschlagbar mit 50% Rabatt. Photoshop vermisst man eh immer, denn die ebenfalls guten Tools wie Pixelmator reichen nie ans Original heran. After Effects muss nicht bewertet werden finde ich, und all die anderen Tools entsprechen im Großen und Ganzen denen des Final Cut Studio 3 und mehr, aber das gibt es ja leider nicht mehr regulär. Also her damit!

 

Final Cut Pro X Workspace mit Magnetic Timeline

 

Warum ich nun mit Final Cut Pro X UND Adobe Premiere Pro CS5.5 arbeite, oder eher:

Was sind deren Vorteile, was sind Nachteile oder was wünsche ich mir an Verbesserungen?

 

An Final Cut Pro X gefällt mir die Magnetic Timeline – mit wenigen Ausnahmen – sehr sehr gut! Das Konzept ist revolutionär für NL-Editing. Immer alles synchron, auch wenn man vorne etwas ändert, keine Asynchronität usw. mehr. Das ist wirklich richtig gut! Die Übersicht ist top! Medienmanagement über Disk-Images ist hier ein sehr feiner Trick. Es macht richtig Spaß damit zu schneiden, weil es sehr schnell sehr gute Ergebnisse bietet. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachte ich die Verbindung mit Motion5: Transitionen und Effekte lassen sich aus FCPX heraus in Motion5 öffnen, bearbeiten und direkt wieder in FCPX verwenden. Das ist wirklich sehr gut!

Was wirklich schei**e ist, ist der Umgang mit Motion-Kompositionen. Und auch mit Material im Allgemeinen. Die Sortierfunktionen sind prima, aber wehe, man nutzt gerenderte Clips aus Motion oder After Effects. Einfach mit gleichem Namen neu rendern und die Software nutzt dann einfach den neuen, das geht nicht. FCX sortiert Material nach Meta-Informationen. Wird eine Datei in irgendeiner Form extern geändert, findet das Programm sie einfach nicht mehr, Neuzuordnung gibt es nicht. Das heißt: Neu importieren und in der Timeline von Hand ersetzen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf! Die Möglichkeit der Footage-Neuzuordnung muss her! Ein Trick mit Footage markieren, „Im Finder anzeigen“ drücken, in anderem Programm öffnen, speichern, schließen und Änderungen werden in FCPX übernommen klappt leider nur mit Grafiken, wen überhaupt.

Außerdem: Trennt man Bild und Ton, oder nutzt fremden Ton wie z.B. Musik, wird eine Verbindung zur Haupthandlung hergestellt. Diese Verbindung wird durch einen kleinen Verbindungsstrich deutlich und nennt sich Clip Connector. Setzt man nun im Bild Schnitte um z.B. ein Stück daraus zu entfernen, und genau in dem zu entfernenden Stück liegt der Clip Connector, so wird die Tonspur mit gelöscht! WTF? Man muss also die Tonspur verschieben, das Stück Bild löschen und die Tonspur wieder an die richtige Stelle schieben. Der Trick ist: Die Clip Connector lassen sich von Hand verschieben, aber nur per Klick an die gewünschte Position mit gedrückten Tasten „alt+apfel“, oder neu-applish: „option+command“. Ich habe 3 Monate gebraucht um den Trick heraus zu finden. Leute, das muss leichter gehen, z.B. klicken+ziehen.

Naja, und dann noch die Dinge, die man überall lesen kann. Multicam usw…..

Richtig gute Tips für Neulinge und Umsteiger gibt´s übrigens hier.

 

Premiere Pro CS5.5 ist – wie oben erwähnt – optisch ein sehr guter Final Cut-Klon, an den man sich sehr schnell gewöhnt. Das ist natürlich ein dicker Pluspunkt. Aber was noch? Zuerst ist da mal zu erwähnen, dass Final Cut Pro 7 als Teil des Final Cut Studio 3 in der aktuellsten Version noch eine 32-bit-Anwendung ist. Also ist bei der Nutzung von 4GB rAM Schluss, was oft nicht reicht. Rendern braucht Zeit, hier besonders. Auf den Punkt gebracht: wir reden hier über Software, die seit einer Dekade gepflegt wurde, aber eben nicht mit der Zeit gegangen wurde. Premiere Pro dagegen ist eine waschechte 64-bit-Anwendung. Und daraus ergibt sich der dickste Pluspunkt. Der Geschwindigkeitsvorteil zu FCP7 ist enorm! Auch ohne die GPU-beschleunigte Mercury Engine. Aber dazu später mehr. Auch noch super: Über die XML-Daten kann man wunderbar alte FCP7-Projekte fast vollständig in Premiere Pro öffnen und bearbeiten. Direkt nach der Installation habe ich einen kompletten Rohschnitt von der externen Sicherungsplatte eines Cutters in Premiere importiert, indem ich in FCP7 eine XML vom ganzen Projekt exportiert habe (im Media-Browser nichts markieren -> Ablage -> Exportieren als -> XML.), und diese dann in Premiere Pro importiert habe. Alles da, von Rohmaterial über synchronisierte Subclips bis Sequenzen mit Schnitten, Blenden, Audio-Mischung… Das ist perfekt für Umsteiger von FCP7!

Der einzige Nachteil, der mir bei Premiere Pro in CS5.5 wirklich sauer aufstößt ist der, dass die großartige Mercury Engine, die Hardwarebeschleunigung per GPU, nur mit nVidia-Karten hinbekommt. Und das offiziell auch nur mit den richtig teuren. Ärgerlich, denn mein Mac hat ja „nur“ 2GB DDR5-Grafikspeicher. DAS wäre Beschleunigung, wenn auch ATI-Karten unterstützt würden!! Ich hoffe, dass Adobe da nachlegt und bald nicht nur Cuda sondern auch OpenCL unterstützt. BITTE!!!!!

 

Und hier mal die beiden Oberflachen von FCP7 und Premiere als Screenshot, nur mal so… 😉


Hier mal ein Screenshot aus FCP7, aus dem Rohschnitt von „Umleitung“, vom alten OSX 10.6 aufm 4.3 Monitor

Und hier nun das Ganze noch mal in Premiere Pro. Man erkennt deutlich, dass jeder Schnitt und alle Spuren übernommen wurden.

Übrigens: Gegen Media100 hatte ich mich wegen des Lizenzierungsmodels und wegen der meiner Meinung nach zu sehr geschlossenen Architektur entschieden. Ähnlich wie bei Avid. Ich mag offene Software, oder zumindest eine, bei der man – wie in der Kombo FCPX und Motion5 – eigene Effekte kreieren kann. Daher habe ich auch fest vor Lightworks zu testen, sobald es eine Mac-Version gibt oder ich an einen Windows-Rechner komme. Ich bin sehr gespannt was da geht!