Nikon D90 – HD-DSLR mit Macken?

Bei den Indy-Filmern schlagen die neuen DSLR-Kameras gerade hohe Wellen. So auch bei mir. Warum? Weil die Dinger filmen. Was daran so toll ist? Der Look. Der große Chip im Vergleich mit Camcordern und die hervorragenden Optiken – die ja auch noch problemlos wechselbar sind – lassen einen prima Look zu. Nämlich die für Filme typischen Spielereien mit der Tiefenschärfe. Oder Schärfentiefe. Oder Schiefentärfe. Oder Unschärfentiefe, oder….

Viele verschiedene Modelle der Top-Hersteller bieten die Video-Funktion in verschiedenen Varianten.

Die Nikon D90, um die es hier geht, war die Mutter aller DSLRs mit HD-Video. Die D300s ist jetzt nachgezogen, die D5000 auch, im Canon-Lager neu die 500d und die 7D, dazu das Flaggschiff mit Vollformt-Sensor, die 5D MarkII. Weitere folgen.

Jetzt habe ich hier die D90 und muss sagen, dass ich im Vorfeld sehr viele Videos auf Youtube etc. angesehen habe, viele Rezensionen von Besitzern gelesen habe und einige Gespräche geführt habe. Und das Ergebnis?

Hätte ich auf all diese Leute – oder zumindest die meisten – gehört, wäre mir ein super Gerät entgangen. Dass die D90 für ihre super Fotos in der mittleren Preisklasse bekannt ist, steht fest. Die Film-Funktion wird allerdings ziemlich ÜBERALL schlecht bis äußerst schlecht gemacht. Und jetzt komme ich.

Leute, es tut mir leid, dass ihr entweder mit falschen Erwartungen an das Gerät gegangen seid, oder einfach unfähig und inkompetent seid. Warum?

Hier die häufigsten Kritik-Punkt:

  • Video-Codec: Motion-jpg, alt, schlecht, geringe Datenrate, hoher Speicherbedarf
  • Auflösung: „Nur“ 720p
  • Bildrate „Nur“ 24fps
  • Kein Autofocus
  • Keine manuellen Einstellungen möglich, alles geht automatisch – und das ist schlecht.
  • Artefakte, Glitches, Moiré, Jello/Rolling Shutter

Ich fange mal an die Liste von oben nach unten zu bearbeiten.

Video-Codec:

Ok, Motion-Jpeg ist ein relativ alter Codec. Man ließt immer wieder Vergleiche mit VHS-Qualität. Und ja, das liegt nicht fern der Realität. Theoretisch. Dieser Codec hat einige Jahre auf dem Buckel und wurde zum Beispiel bei Einsteiger- Und sogenannten Prosumer- Schnittsystemen verwenden. Bei PC-Karten oder Komplett-Systemen wie Casablanca von Macrosystems, einem der ersten, für den Privatanwender erschwinglichen nicht-linearen, digitalen Schnittsystemen. Und bei diesen Systemen wurde eine Auflösung benutzt, die ein Bild erzeugte, dass der VHS- oder S-VHS-Qualität entsprach. Denn dafür waren die Systeme gemacht. Und das in PAL-Auflösung von maximal 720×576 Bildpunkten.

Hier in der D90 erzeugt er allerdings Bilder in einer Auflösung von 1280×720 Bildpunkten. Eine der beiden standadisierten HD-TV-Auflösungen. Mit weit höherer Qualität als bei den alten Systemen. Er ist zwar alt, aber keinesfalls ein schlechter Codec.

Die Kritik einer geringen Datenrate widerlege ich auch gerne. Alles Einstellungssache. Man kann nix einstellen? Physik lernen. Die Datenrate wird innerhalb des Standards begrenzt, hängt aber von den Informationen ab, die der Chip „sieht“ und aufnimmt. Und das kann man einstellen.

Die Datenrate bei HDV beträgt knapp 19mbps bei 720p inkl. mehrkanaligem Ton. Meine D90-Testclips liegen zwischen 12 und 22 mbps mit Mono-Tonaufzeichnung.

Dann wäre da der der daraus resultierende, hohe Speicherbedarf. Im Übrigen: Wie kann man sich in einem Satz gleichzeitig über die geringe Datenrate und den hohen Speicherbedarf beschweren? Hohe Datenrate = hoher Speicherbedarf. Niedrige Datenrate = niedriger Speicherbedarf. Punkt.

Beides kann man reduzieren indem man einen anderen Codec verwendet. Aber welchen? Die Canon 5D MarkII nutzt Mpeg4 bei 1080/30p. Höhere Auflösung, kleinere Dateien. Aber stark komprimiert. So stark, dass die Bearbeitung sehr kompliziert wird. Hohe Prozessor-Leistung beim Schnitt ist nötig – es sei denn man kodiert um – und großartige gestalterische Möglichkeiten wie Farbkorrektur und Keying (Blue- und Greenscreen) werden nahezu unmöglich, nutzt man keine Tricks. Ich habe es getestet. Die Farbkomprimierung ist so stark, dass sofort verstärktes Rauschen auftritt und bald grobe farbige Pixel. Abhilfe kann man dabei jedoch schaffen, indem man das Bild durch entschärfen und Absenken der Sättigung in der Kamera flacher macht.

Der Motion-Jpeg-Codec der D90 hat diese Probleme nicht. Er hat eine geringere Auflösung und weitere kleine Nachteile, lässt allerdings viel mehr kreativen Spielraum für den Cutter und bietet mehr Möglichkeiten zum Finishing. Dass man mit der D90 trotzdem kein Kinomaterial dreht sollte klar sein. Dazu nehmen wir dann doch lieber eine RED.

Auflösung: „nur“ 720p?

„Nur“ würde ich nicht sagen. 1280x720p ist immerhin HDTV-Standard. Der Rest ist dann wieder Geschmackssache. Einige Sender senden „nur“ 720p und nicht 1080i, und ich persönlich finde das 720p-Bild angenehmer. Und ausnahmsweise schwimme ich hier wohl mit dem Strom, denn sogar Wikipedia schriebt dazu:

„Bei HDTV sinkt die Gefahr des Zeilenflimmerns (1080i) oder verschwindet ganz (720p). 720p wird bei Sehtests auf Bildschirmen üblicher Größe, d. h. bis zu einer Bildschirmdiagonale von etwa einem Meter, von den meisten Menschen gegenüber 1080i vorgezogen. Die EBU empfiehlt ihren Mitgliedern 720p wegen der geringeren benötigten Datenrate und außerdem wegen des nur höchstens einmal im Sendezentrum und dort mit professioneller Hardware nötigen Deinterlacings.“ (Wikipedia: HDTV)

Abgesehen davon schlägt hier wieder der Pixelwahn zu, der auch bei den digitalen Fotokameras Einzug hält. Naja. Wer, der einen Full HD-Fernseher kauft mit 1920×1080 Pixeln, weiß schon, dass er solch ein Signal fast nie empfängt? Aus technischen Gründen wird das eigentliche 16:9-Signal nämlich zu einem 4:3-Signal gestaucht. Übertragen wird also ein Signal von 1440×1080 Pixeln. Das „Aufmotzen“ auf die zum TV-Gerät passenden 1920 Pixel in 16:9 macht dann wieder die Glotze, und das hoffentlich gut. Auffallen tut das keinem, wenn das Mastering gut ist.

Die 1280×720 bei 24 Vollbildern, die die D90 liefert, sind also ein feines Format für Indy-Filmer. Die 24p entsprechen dem Kino-Look und die Auflösung ist höher als SD, also warum nicht.

Bildrate „nur“ 24fps

Wie gesagt, Film-Look pur. Die Canon 5D MarkII bietet 30fps. Nix Halbes und nix Ganzes. Die muss man über Pull-Up/Pull-Down auf 60 Bilder und 24 Bilder bringen, was ganz gut klappen kann. Auf 25fps oder 50i für eine DVD ist nur schwer machbar ohne große Qualitätsverluste. Die 4% mehr an Geschwindigkeit, um von 24 auf 25fps zu kommen, fallen kaum jemandem auf. Und im Endeffekt kommt dann noch die Präsentation dazu.

In unzähligen Foren schreiben die Unwissenden: Kinofilme laufen mit 24 Bildern die Sekunde damit es flimmerfrei auf das menschliche Auge wirkt. Hallo Unwissende, hier ein Hinweis: Im Kino seht ihr einen Film mit 48Hz. Mit 48 Bildern die Sekunde! Ja! Glaubt ihr nicht? Doch. Mittels schneller Umlaufblende wird jedes Bild einmal verdeckt. Ihr seht jedes Bild zweimal! Tatsache! Merkt man gar nicht, oder? Also drehen auf 24p ist prima wenn man mit dem Material ins Kino will. Mancher Indy-Film wurde schon auf mini-DV gedreht, also ist D90-Material hier auch ein Qualitätsprung nach vorn. Danke.

Kein Autofocus

Was ist die Zielgruppe des D90-Videos? Um ehrlich zu sein denke ich, dass das keiner weiß. Ich glaube, der Markt schrie nach der Funktion, die jetzt meist LiveView heißt. Und wenn man den Spiegel einer DSLR-Kamera schon dauerhaft dreht und den Sensor ausließt um das Bild auf ein 3“-Display zu werfen, dann kann man das Signal auch gleich aufzeichnen. Das macht das Gerät. Wer stürzte sich zuerst auf diese Kameras? Die Indy-Filmer. Braucht eine Indy-Filmer Autofokus? Nein. Also. Wer den unbedingt haben will kann ja eine Canon kaufen und drauf los filmen. Aber ein Ersatz für einen Touristen-Camcorder sind die Dinger einfach nie. Ich vermisse den Autofokus nicht im Geringsten. Aber das liegt eben am Anspruch, an der Arbeitsweise und dem Können.

Keine manuellen Einstellungen in D-Movie-Modus

Das stimmt mal einfach nicht. Im manuellen Modus kann man fast jedes Detail einstellen oder zumindest anhand der physikalischen, lichttechnischen Grundlagen beeinflussen. ISO-Empfindlichkeit, Belichtungsmessung, Shutter-Speed…

Aus meiner Sicht für D-Movie unabdingbar sind gute Objektive. Und mit „gute Objektive“ meine ich lichtstarke Objektive, am Besten Festbrennweiten, die einen manuellen Blendenring besitzen. Die neuen DX-Objektive scheiden also aus meiner Sicht aus. Optimale Ergebnisse liefern die Objektive der D-Reihe, oder AI und AI-S.

Als Beispiel das 50mm 1,8D, das bei sehr günstigem Preis hervorragende Ergebnisse liefert. Durch den manuellen Blendenring lässt sich die Blende nach Aktivierung des D-Movie-Modus die Blende ändern und so die Belichtung optimieren. Sollte man ein DX-Objektiv verwenden, zum Beispiel die Kit-Zoom-Optiken aus dem Lieferumfang, so sollte dieses auf jeden Fall eine VR-Optik, also mit Bildstabilisator sein. Sonst ist das Ergebnis hemmungslos verwackelt und für nichts zu gebrauchen. Manuelles Setzen der Blende fällt bei diesen Objektiven allerdings aus.

Artefakte, Glitches, Moiré, Jello/Rolling Shutter

Im Gegensatz zu anderen Berichten habe ich in keiner meiner Test-Aufnahmen Artefakte auf den Aufnahmen sehen können. Weder in der Schnittsoftware im verkleinerten Fenster, noch in der 100%-Ansicht, noch auf dem Full-HD-Panel. Keine Blockbildung. Nichts. Und meine Testaufnahmen habe ich in allen möglichen Situationen gemacht. Schnell eingestellt, mit Bedacht justiert, auf Automatik. Hell, dunkel, innen, außen. Nichts.

Glitches: Nein.

Moiré: Ja, leider. Allerdings in geringem Maße. Auf Testaufnahmen außen bei bewölktem Himmel trat ein leichter Moiré-Effekt auf einem Dach aus roten Ziegeln auf, dass allerdings in einiger Entfernung (ca. 80m) stand.

Es waren also sehr sehr feine Linien, und ich denke, dass man das verschmerzen kann. Gute Camcorder würden den Effekt hier nicht zeigen, aber die würden auch kein Ziegel mehr darstellen sondern roten Brei.

Profi-Camcorder mit 3 CCD-Chips zeigen diesen Effekt überhaupt nicht, da sie nicht alle drei Grundfarben auf einem Chip abtasten, sondern getrennt, eine Farbe pro Chip. Die D90 besitzt nur einen Chip, allerdings einen CMOS-Chip im DX Format. Der ist viel größer als ein semi-/professioneller CCD-Chip, und das macht einiges gut.

Jello/Rolling Shutter: Aufgrund des CMOS-Sensors wohl zur Zeit technisch nicht vermeidbar.

Was ist der Jello- oder Rolling Shutter-Effekt überhaupt? Ein CMOS-Sensor wird nicht ganzflächig sondern von oben nach unten abgetastet, ungefähr so ähnlich vorstellbar, wie ein TV-Bild bei Röhren-TV-Geräten aufgebaut wird. Dadurch kommt es zu einem zwar sehr kleinen zeitlichen Versatz zwischen der Abtastung der oberen und unteren Bildzeile. Im Bild sieht das ungefähr so aus, dass senkrechte Linien im Bild nicht mehr senkrecht sind, sondern um ein paar Grad geneigt werden.

DIES PASSIERT JEDOCH NUR BEI SCHNELLSTEN HORIZONTALEN BEWEGUNGEN DER KAMERA! Ich habe mein Material Test-Sehern gezeigt und es hat niemanden gestört. Woran das lag? Außerdem gibt es mittlerweile sogar kostenlose, leistungsstarke Plugins für Video-Software, die den Jello ausbügeln.

Diese Nachteile sind aber bei anderen Modellen, auch bei der sehr beliebten und mehr als doppelt so teuren Canon 5D MarkII vorhanden.

Ganz allgemein sollte man für die Videofunktion ein Stativ oder eine Schulterstütze etc. benutzen, um das System ruhig halten zu können. Ich hab bisher in der Probephase sehr gute Ergebnisse mit einer Seagull-Schulterstütze gemacht, die super mobil ist und bei einem Preis von ca. 60€ gut stabilisierte Bilder abliefert.

Ich werde in den nächsten Tagen weitere Bilder und Screenshots nachliefern, ebenso wie ein Review zur Foto-Funktion und natürlich eine genaue Anleitung für die richtigen D-Movie-Einstellungen.