Apple hat am 27.10.2016 neben neuen MacBook Pro Modellen auch eine neue Version der hauseigenen Schnittsoftware Final Cut Pro X vorgestellt. Das Update auf Version 10.3 sorgte (mal wieder) für heftige Reaktionen im Netz. Was ist dran? War das der letzte Schnitt?
Hier mein Eindruck der neuen Software, direkt aus dem Praxistest.
Ja, Praxistest. Ja, jetzt schon. Und ja, ich bin ein bisschen wahnsinnig. Denn ich habe mitten im laufenden Projekt auf dem Produktivsystem ein Update gemacht. Verrückt, oder? Ich habe direkt bei Veröffentlichung das Update auf meinem MacBook Pro Mid2012 installiert um mir die neue Oberfläche anzusehen. Ich stellte keine Probleme fest und habe das Update auf dem iMac 2011 gemacht. Kein Trouble. Ich habe mir also auf dem MacPro die alte Version von FCPX gesichert, indem ich die Programm-Datei gezippt und aus dem Application-Ordner raus kopiert habe. Anschließend habe ich das Gleiche mit der Library des laufenden Projekts gemacht, was recht einfach war. Ich speichere nämlich seit einiger Zeit das Rohmaterial nicht mehr in den Libraries, sondern außerhalb davon. Ich konsolidiere dann nach Abschluss des Projekts und archiviere nur die Files, die auch wirklich benutzt wurden. Das hält die Library schön klein, da sie nur die Projektdaten, Render Files und Analyse-Daten enthält. Also auch die gezippt und in Sicherheit kopiert. Dann das Update gestartet und anschließend das Programm geöffnet, die Library aktualisiert für die neue Version 10.3 und begonnen zu arbeiten.
Und da sind wir auch schon soweit, dass ich einige Kritikpunkte aus dem Netz aufgreifen kann.
Die InstallationMan kann an vielen Stellen lesen, das eine Installation nicht möglich war weil das Update nicht angezeigt wurde und das man zwingend macOS Sierra benötigt. LÖSUNG: Sierra ist nicht nötig, El Capitan reicht aus. Version 10.11.4 um genau zu sein. Wenn das Update nicht angezeigt wird hilft es, auf den Reiter „Gekaufte Artikel“ zu wechseln. Dann erscheint eine Eingabeaufforderung für AppStore-Benutzername und -Passwort. Diese gibt man ein und wenn die gekauften Artikel angezeigt werden, geht man zurück auf den „Updates“-Reiter, wo dann alle Updates inkl. FCPX 10.3 angezeigt werden. Update starten und abwarten, bis die Installation abgeschlossen ist. Der Programmstart
Der erste Programmstart war wirklich von einer Panne begleitet. Denn er wurde nicht ausgeführt. LÖSUNG: Die zuletzt verwendete Library befand sich auf einem externen Laufwerk, das nicht eingebunden war. Diese wurde also nicht gefunden und eine neue, leere nicht erstellt. Der Affengriff und ein zweiter Start mit eingebundenem, externen Laufwerk brachten die Lösung und die zuletzt verwendete, sowie eine neue Library wurden geöffnet, nachdem die zuletzt genutzte aktualisiert wurde. Aktualisierung der Libraries
Wie bereits bei den vorigen, größeren Updates müssen auch dieses Mal die bestehenden Libraries für die neue Version aktualisiert werden. Dies liegt daran, dass Final Cut Pro X unter der Haube wieder ordentlich umgebaut wurde. Hier scheint es öfter Probleme zu geben. Einige berichten davon, dass Libraries sich nicht aktualisieren, und daher nicht öffnen lassen. Bei mir funktionierte das mittlerweile mit 7 Libraries problemlos. Darunter kleinere und mittlere Projekte, aber auch zwei sehr große. FCPX arbeitet nun noch intensiver mit den sogenannten Rollen, also quasi Metadaten. Alle Medien können diesen Rollen zugeordnet werden, es können Rollen angelegt und bearbeitet und neu zugeordnet werden. Hier kommt es laut einigen Aussagen zu Problemen, da Rollen falsch zugeordnet und von alten Projekten übernommen werden sollen. Auch hier hatte ich allerdings bisher keine Fehler. In einem der großen Projekte mit Dialog im Video-File, Off-Sprecher, Musik und Effekten, wo die Rollen schon in der alten Version existierten, wurden diese vollständig und korrekt übernommen. Die Zuordnung von Rollen in aktualisierten Projekten, in denen zuvor nicht mit Rollen gearbeitet wurde, funktioniert hier auch tadellos. Look & Feel von Final Cut Pro X 10.3
„iMovie Pro“ sagen viele. Wieder. Diese Bezeichnung zieht sich durch die Geschichte von Final Cut Pro X seit dem ersten Tag. Und das obwohl der Funktionsumfang wesentlich größer und professioneller ist als beim kleinen iMovie. Und inzwischen hat es sich drastisch verändert. Man ist weg von bunten und dreidimensionalen Buttons und dunkler und cleaner geworden. Wie man da immer noch und wieder von „iMovie Pro“ sprechen kann, ist mir ein absolutes Rätsel.
Die Arbeitsoberfläche ist in der neuen Version wesentlich aufgeräumter und viele Elemente sind sinnvoller untergebracht worden. Die Anordnungen können gespeichert werden und Presets erstellt werden, wie man es von früher kennt. Für mich ist Version 10.3 also nicht nur optisch professioneller geworden, sondern auch im Bereich Usability wesentlich verbessert worden.
Die letzte Version 10.2.3 hatte bei mir ein paar kleine Schwächen offenbart. Bei komplizierten Tätigkeiten begann das Programm teilweise zu haken und der „Spinning Beach Ball Of Death“ drehte sich so 5-15 Sekunden fröhlich vor sich hin, nichts ging mehr. Dies passierte zum Beispiel, wenn man einen großen Compound-Clip öffnete und in den Track-View-Einstellungen Vorschaubilder und Waveform eingestellt waren. Also etwas Darstellungsarbeit. Der gleiche Compound-Clip öffnet sich nun in Version 10.3 problemlos und überraschend zügig. Überhaupt wird die gesamte Arbeit durch scheinbar gesteigerte Performance und die bessere GUI zügiger.
Arbeitsweise mit Rollen – sind das Tracks?In der neuen Version wird die Arbeitsweise mit Rollen mehr als bisher forciert. An einigen Stellen taucht nun wieder der Vergleich mit den klassischen Tracks – oder Spuren – auf, und einige meinen, es wäre nun wieder dieses System, nur anders benannt, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass die Magnetic Timeline ohne Spuren nicht gut war. Nun, die Rollen sind etwas völlig anderes.
„Rollen“ sind ein Synonym für Metadaten-basierten Schnitt. Mehr als je zuvor wird nun darauf gesetzt. Man kann alle Medien nun mit Rollen versehen, Rollen erstellen und ihnen Medien zuordnen, mehrere Sub-Rollen erstellen, und die Timeline nun per Index-Funktion nach Rollen „sortieren“. Die sortierte Ansicht gleicht dann in gewisser Weise der Ansicht einer Spur-basierten Bearbeitung. Allerdings lässt sich hier einblenden, ausblenden, an- und abschalten, Reihenfolgen ändern, die „magnetic-Funktion“ besteht noch immer und vieles mehr. Im Grunde sorgen die Rollen für mehr Übersicht in der Timeline.
Metadaten eben. Als Beispiel wird dem Ton einer importierten Videodatei automatisch eine Rolle „Dialog“ zugewiesen. Natürlich kann man diese Rolle editieren, aber im Normalfall ist dies ja der Dialogton. Für szenische Projekte dagegen dient der Kameraton oft nur als Referenz für extern aufgezeichneten Ton. In diesem Fall kann man zum Beispiel die Rolle „Referenz-Ton“ anlegen und den Kameraton dieser Rolle zuordnen. Man kann anschließend synchronisieren, dabei den Referenzton verwerfen, ihn aber auch behalten und anschließen die Rolle komplett ausblenden, obwohl sie nach wie vor vollständig vorhanden ist. Früher musste dies komplizierter in den Audio-Einstellungen pro Clip gemacht werden.
Die Besinnung und Konzentration auf die eigentliche Aufgabe wird ebenso erleichtert. Bearbeitet man zum Beispiel nur Sound-Effekte, kann man den Fokus optisch auf diese Rolle legen und auch alle anderen Sounds schnell ausblenden. Das sind nur wenige Beispiele, aber sie verdeutlichen hoffentlich, dass Rollen das Beste aus de beiden Welten Track-based und Magnetic Timeline verbindet.
Weitere gelungende NeuerungenAber da gibt es noch mehr. Denn nicht nur die Oberfläche wurde angepasst und die Rollen eingeführt. Der Teufel steckt im Detail. Hier sind viele Dinge passiert, die dringend nötig waren. Konnte man bereits in der Vergangenheit Effekte und Eigenschaften von einem Clip per Copy & Paste auf einen oder mehrere weitere kopieren, wurden dann alle Eigenschaften und Effekte kopiert. Eine Auswahl der zu kopierenden Effekte war nicht möglich. Im Menü nannte sich diese Funktion „Attribute kopieren“ und „Attribute einsetzen“. Diese Funktion wurde beibehalten, allerdings um weitere ergänzt: die Auswahl der zu kopierenden Attribute ist nun möglich. Über „Effekte einsetzen“ werden wie bisher alle Bearbeitungen eingefügt, über „Attribute einsetzen“ erscheint dagegen ein Auswahlmenü, in welchem eine Liste aller auf den Clip angewendeten Effekte, Einstellungen und Korrekturen abgebildet wird. Hier können nun per Haken die gewollten Änderungen ausgewählt werden. Eine weitere interessante Neuerung sind die „… entfernen“-Funktionen für Effekte und Attribute.
Die Gesamtzahl der Änderungen und Optimierungen hier nun aufzuführen, wäre wohl zu viel. Und darum will ich nun zum Ende kommen und langsam zum…
FazitWie ich in einem früheren Artikel vor fast 5 Jahren schon erwähnte, arbeite ich mit vielen verschiedenen Tools. Ich habe am PC zuerst mit Adobe Premiere begonnen, damals mit Premiere 5. Dann AVID, FCP, dann zwischenzeitlich noch Vegas, Lightworks und natürlich immer parallel Premiere Pro CC in den jeweils aktuellen Versionen bei einigen Projekten, und auch die Schnittfunktionen in DaVinci Resolve habe ich inzwischen intensiv getestet. Final Cut Pro X blieb dabei aber seit seinem Erscheinen immer mein führendes Tool, und zwar bei sicher 90% aller Projekte. Und wenn ich nun die Titel-Frage beantworten muss:
War das der letzte Schnitt mit Final Cut?
So muss ich sagen: Definitiv NICHT! Im Gegenteil! Mit dem aktuellen Update wurde FCPX noch schneller und intuitiver und hat seine Vorteile weiter ausgebaut. Ich hatte keine Probleme während der Installation und auch keine nennenswerten Bugs. Es läuft. Sehr gut. Die „iMovie Pro“-Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Und selbst wenn da ein Hauch dran wäre: Das Programm ist am Ende nur das Werkzeug des Cutters. Der Cutter macht den Schnitt, nicht das Programm. So wie der Chirurg den Schnitt macht, nicht das Skalpell. Wer der Meinung ist, FCPX hätte keinen professionellen Funktionsumfang, hat sich meiner Meinung nach schlicht nicht genug damit befasst. Ich habe vom kleinen Web-Clip über Kampagnen-Filme und Kurzfilme bis zum Spielfilm bereits Projekte in FCPX bearbeitet, inkl. BluRay-Mastering und bis zur Vorbereitung zur DCP-Erstellung. Und all das in Zusammenarbeit mit anderen Departments wie Tonstudios, FX-Häusern usw., und all das war nie ein Problem.
Ich finde, FCPX ist das Tool, mit dem ich am schnellsten die besten Ergebnisse schaffen kann. Schneller und besser als mit anderen Programmen. Somit ist es für mich unverzichtbar.
Wie findet ihr Final Cut Pro? Womit arbeitet ihr?